Dynastisch-genealogische Werke des 15. und frühen 16. Jahrhunderts in den wittelsbachischen Territorien. Edition und Erschließung bislang unbekannter sowie weitgehend unbeachteter genealogischer Texte
Projektleitung: Dr. Antje Thumser (Berlin) und Prof. Dr. Peter Schmidt (Hamburg)
Seit dem ausgehenden Mittelalter ist in den wittelsbachischen Landesherrschaften ein reges dynastisch-genealogisches Interesse zu konstatieren. Das im Umkreis der Höfe wie auch in historisch interressierten Klöstern gesammelte, gegebenenfalls auch kreativ hervorgebrachte Wissen zur Geschichte der Dynastie wurde in knappe Listen eingetragen, es ging in kleinere und größere Chroniken ein, findet sich ausschnitthaft in historischen Notizen, wurde in Stammtafeln diagrammatisch angeordnet, wurde, erläutert durch Tituli und ergänzt um beglaubigende Wappenabbildungen, in aufwendig gestaltete Stammbäume übertragen oder als Bildprogramm in Handschriften oder auf Wänden visualisiert. Die den Werken jeweils zugrunde liegenden Konzepte zeugen davon, dass die Vorstellungen von der Herkunft und der dynastischen Kontinuität des Geschlechts in den wittelsbachischen Territorien keineswegs völlig übereinstimmten. In Ingolstadt, München und Landshut konstruierte man auf je unterschiedliche Art eine bayerische Herrscherfolge von den mythischen Ursprüngen bis in die Zeit der aktuell amtierenden Herzöge. Am Heidelberger Hof favorisierte man dagegen den dynastischen Neubeginn mit dem Übergang der Pfalz bei Rhein an die Wittelsbacher und setzte nachfolgend den Schwerpunkt auf die Kurwürde. Während einige dieser Werke – allen voran die großen Landeschroniken des Andreas von Regensburg, Hans Ebran von Wildenberg, Ulrich Fuetrer und Veit Arnpeck – bereits seit geraumer Zeit ediert und mehr oder weniger intensiv erforscht sind, warten andere entweder gänzlich unbekannte oder an abgelegenen Orten veröffentlichte Überlieferungszeugen noch auf eine angemessene wissenschaftliche Aufarbeitung.
Die Fülle des genealogischen Wissens wie auch die mediale Viefalt der Vermittlungsmöglichkeiten soll der Forschung in einer Anthologie zugänglich gemacht werden. Neben der kritischen Edition wird eine umfassende Erschließung der Werke angestrebt. Bei der Ausarbeitung der Edition und der Arbeit an den Texten steht eine Gruppe von Wissenschaftlern beratend zur Seite. Hierfür konnten Roman Deutinger (München), Otfried Krafft (Marburg), Matthias Kuhn (München), Christof Paulus (Augsburg), Jörg Schwarz (Innsbruck) und Matthias Thumser (Berlin) gewonnen werden. Als Spezialisten liefern sie Beiträge zu Themenkomplexen, die für das Verständnis der Werke und ihre Einordnung von besonderem Wert sind und mithin die Grundlagen schaffen, auf denen eine sinnvolle Beschäftigung mit den Werken überhaupt erst möglich wird. Da die Texte, von wenigen Ausnahmen abgesehen, recht umfangreich sind, wird eine Publikation in zwei Bänden angestrebt. Der erste Band erhält die Funktion eines Kommentarbandes. Er führt zum einen in die Werke ein und versammelt zum anderen Beiträge, die diese umfassend erschließen sollen. Der zweite Band enthält die kritische Edition der Texte und die Register. Das Projekt wird von der Kommission für bayerische Landesgeschichte an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften gefördert. Geplant ist die Aufnahme der zweibändigen Publikation in eine ihrer Reihen.